Aha-Erlebnis im Büro
Südtiroler Wirtschaftszeitung 17.07.2020

Versetzen wir uns zurück in den März: Quasi über Nacht wurden Zehntausende Mitarbeiter in Südtirol zum Arbeiten nach Hause geschickt. Bis dahin war zwar bereits viel von Smart Working und Homeoffice gesprochen worden, als Modell für die Massen hielt man es aber doch für ungeeignet. Mit dem Lockdown wurde aus der netten Idee „Heimarbeit“ – sozusagen unter Zwang – Realität. Auch bei uns von Hypo Vorarlberg Leasing sind 100 Prozent der Mitarbeiter ins Homeoffice umgezogen. Weil wir technisch entsprechend gerüstet waren, brachte das weder für Mitarbeiter noch für Kunden große Nachteile. Im Gegenteil: Ein Großteil unseres Teams kam mit der neuen Bürorealität gut zurecht und wünschte sich auch für die Zukunft mehr Flexibilität. Unsere Kunden machten sich ebenso mit den Möglichkeiten der digitalen Welt vertrauter und stellten vielfach fest, dass sie damit teilweise effizienter und schneller ans Ziel kommen.

Das Homeoffice war ein gutes Modell für jene Zeit, aber es zeigte auch Schwächen: Dazu zählt, dass die Leistungsfähigkeit und Motivation stark von der individuellen Situation abhängig war. Ebenso stellten wir fest, dass sich ein Mitarbeiter im Homeoffice verloren fühlen kann, und in weiterer Folge auch überfordert mit seiner Verantwortung und ausgeschlossen von der Feedbackschleife. Dem kann teilweise entgegenwirkt werden, indem man als Unternehmen dem Homeoffice einen klaren organisatorischen Rahmen gibt und Zuständigkeiten eindeutig definiert. Dennoch haben diese Schattenseiten der Heimarbeit dazu geführt, dass die anfängliche Euphorie über das neue Arbeitsmodell abgeflacht ist. Die Erkenntnis ist: Homeoffice in seiner extremsten Form unter erschwerten Bedingungen taugt nicht als Dauerlösung.

Eine Charta mit Regeln

Wer jetzt jedoch zum Schluss kommt, dass man genauso weitermachen sollte wie vor den Erfahrungen in jener Zeit, vergibt eine Möglichkeit zum Wandel und diesen an den Schreibtischen nachhaltig und langfristig voranzutreiben.

Wir haben dazu intern klare Regeln definiert, eine Art Smart Working Charta, die es jedem Mitarbeiter ermöglicht, zeitweise ortsunabhängig zu arbeiten. Wir haben der Flexibilität also eine klare Struktur verpasst. Das führt dazu, dass aktuell rund ein Drittel des Teams nicht physisch präsent ist. Die Vorteile, die sich für die Mitarbeiter ergeben, liegen auf der Hand. Sie gewinnen an Freizeit und Lebensqualität dazu, sparen ausgabenseitig und reduzieren zugleich die Kosten für die Allgemeinheit, indem sie zum Beispiel zu einer Verkehrsentlastung beitragen. Je nach Aufgabengebiet nutzen sie die Vorteile des ergebnisorientierten Arbeitens, indem sie dann arbeiten, wenn sie Kopf und Ressourcen zu

100 Prozent dafür aufwenden können. Aus Unternehmenssicht bringt eine Neuorganisation von Büroarbeit eine Reihe von Änderungen mit sich. Der wohl wichtigste Aspekt: In den Köpfen sinkt der Wert von Büroflächen. Dieser Trend zeichnete sich schon vor Corona ab, dürfte sich nun aber wesentlich verstärken. Die zentrale Erkenntnis dabei ist, dass man keine Büros benötigt, die völlig überdimensioniert und in 1-A-Lagen angesiedelt sind. Büros, die man sich vor

allem aus Imagegründen leistete und sich nicht am Bedarf orientierten. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzt, wird ein enormes Einsparungspotenzial frei. 

Ein weiteres Beispiel: Plant ein Unternehmen, den Mitarbeiterstab von 40 auf 50 zu erhöhen, könnte es künftig eine Büroimmobilie, die für 30 konzipiert ist, ins Auge fassen, weil ein Teil des Teams smart arbeitet. Oder aber ein Betrieb zieht in ein größeres Gebäude um und vermietet Flächen, die er nicht benötigt, weiter. Diese und ähnliche Lösungen ließen sich beliebig weiterspinnen, folgen jedoch alle demselben Prinzip, dass man – wie erwähnt – eigene Verwaltungsflächen kritisch hinterfragt. Zugleich dürften Coworking Spaces neu bewertet werden. Nicht nur Start-ups könnten diese offenen Arbeitsflächen nutzen, sondern beispielsweise auch Mitarbeiter, deren Arbeitgeber nicht 

an ihrem Wohnort sitzt. Es geht um eine intelligentere Nutzung von Büroflächen und darum, frei werdende Räumlichkeiten neuen Zwecken zuzuführen. Dabei ist Flexibilität angesagt: Arbeitsplatzkonzepte, die es Beschäftigten ermöglichen, sich in Bereiche zurückzuziehen, wo sie sich ungestört auf eine Aufgabe konzentrieren können, die aber andererseits die Möglichkeit zu Besprechungen in Gruppen bieten.

Die Coronakrise hat uns bereits einige Aha-Erlebnisse beschert. Deshalb wird sich wohl die Bürowelt nach einem möglichen ersten „Zurück zur alten Routine“-Reflex auch in Südtirol umgestalten. Weil das morgen mit zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung gehören wird – ökonomisch und ökologisch.

Christian Fischnaller, Michael Meyer

DIE AUTOREN Christian Fischnaller ist Leiter Vertrieb der Hypo Vorarlberg Leasing AG, Michael Meyer Delegierter von deren Verwaltungsrat.